Voraussetzungen für Erwerbsminderungsrente sind beim Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) sehr hoch
Der Sozialberater beruft sich unter anderem auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25.10.2021, in dem es unter anderem heißt: „Ein Anspruch […] auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hängt […] nicht davon ab, ob das […] bestehende Krankheitsbild […] als Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS)/Myalgische Enzephalomyelitis (ME) zu klassifizieren ist. Entscheidend ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ob ein derartiges Leistungsvermögen beim Versicherten noch besteht oder nicht, ist nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben“, fasst Dennis Riehle zusammen.
Es muss darüber hinaus „eine schwere chronifizierte […] Erkrankung [vorliegen], die zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führen könnte“. „Eine bestehende Erschöpfungssymptomatik“ muss nicht automatisch ein „zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen bzw. keine Einschränkung der Wegefähigkeit“ bedingen. Um eine verminderte Leistungsfähigkeit festzustellen, können „verwendeten Kurztests (D2- Aufmerksamkeits-Belastungstest, MOCA, Trail-Making-Test) nicht geeignet“ sein, „eine vermehrte Erschöpflichkeit der kognitiven Funktionen zu belegen“, wenn die Ergebnisse zu unterschiedlichen Testzeitpunkten „keine Verschlechterung […] nachgewiesen haben“. Viel eher muss eine für das CFS typisches Abbrechen der Leistungsfähigkeit in der Testfolge vorliegen. Eine „Schlussfolgerung, dass schlechte Testergebnisse eine hirnorganische Ursache haben müssen, ist unzulässig. Eine eingehende Konsistenz- und Plausibilitätsanalyse ist beim Einsatz entsprechender Testverfahren vor diesem Hintergrund unerlässlich […]. Eine nachvollziehbare Beschwerdevalidierung“ ist vorzunehmen. „Die Durchführung von Plausibilitätsprüfungen“ scheint obligat. Eine Untersuchung der Herzschlagfrequenz/-variabilität ist „insofern kein geeignetes Instrument, um eine sozialmedizinisch relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Dies trifft ebenso auf den […] Muskeltest zu“. Entsprechend seien laut Riehle diese Zitate aus dem Urteil geeignet, die hohen Hürden für eine Erwerbsminderungsrente bei einem Chronischen Erschöpfungssyndrom zu beschreiben. „Einen Automatismus gibt es also nicht“, meint der Psychologische Berater.
Der 37-Jährige vom Bodensee ist seit 2014 selbst an CFS und Fibromyalgie erkrankt und hat seither knapp 5.000 Patienten beraten. Seine Erfahrung zeigt, dass von Gutachtern, Versicherungen und Gerichten sehr genau abgewogen wird, ob denn tatsächlich eine Einschränkung der grundsätzlichen Erwerbsfähigkeit vorliegt. Das machen auch weitere Abschnitte aus genanntem Urteil deutlich. Demnach kommt es „wie bereits ausgeführt nicht auf die Diagnosestellung an. Nicht relevant ist insofern, welche körperlichen und kognitiven Einschränkungen sich aus dem Vorliegen einer CFS ergeben können. Entscheidend ist vielmehr, welche Funktionseinschränkungen […] konkret feststellen lassen“. Zur Feststellung eines Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente müssen „Zweifel an der Fähigkeit eines Versicherten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, ausgeräumt“ werden. Davon ist nicht auszugehen, wenn der Betroffene „mit dem vorhandenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, ohne zeitliche Einschränkungen körperlich leichte Arbeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen zu verrichten. Verbleiben hieran hingegen ernste Zweifel, so ist weiter zu bewerten, ob eine sog. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Erst wenn dies zu bejahen ist, muss dem Versicherten eine konkrete geeignete Verweisungstätigkeit benannt werden“. Riehle deutet die Ausführungen des Landessozialgerichts so, dass zwischen einer Berufsunfähigkeit und einer Erwerbsminderung klar unterschieden wird. Letztere bedarf deutlich weitgehendere Beeinträchtigungen.
Der Coach zeigt sich angesichts dieses Entscheids aus Schleswig-Holstein überzeugt, dass die Beweisführung vor Sozialgerichten erheblich komplizierter wird: Insgesamt muss festgestellt werden, dass im „geistigen“ und/oder „im Bereich der körperlichen Einschränkungen [… Leistungsdefizite“ vorhanden sind, „die nahe legen würden, dass kein am Arbeitsmarkt verwertbares Leistungsvermögen mehr vorhanden ist“. […] „Auch Versicherte, die nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, sind regelmäßig in der Lage, erwerbstätig zu sein, gibt Riehle nochmals die Schlussfolgerungen der Richter wider. Letztlich sei Betroffenen zu raten, umfassende Befunde vorzulegen. Dabei gehe es eben gerade nicht um die ausschließliche Klassifizierung der Beschwerden als CFS, sondern um Nachweise, welche Funktionsstörungen im Konkreten vorliegen. „Patienten sollten weniger auf die Feststellung eines Chronischen Erschöpfungssyndroms beharren, sondern auf die fachärztliche Einschätzung verbliebener Leistungsfähigkeit anhand nachvollziehbarer und konkludenter Testverfahren sowie klinischer Überprüfungen. Insbesondere ist zu belegen, dass eine etwaige Belastungsintoleranz vorliegt, die die Symptomatik verstärkt, sobald körperliche, kognitive oder seelische Anstrengung eintritt. Besonderes Augenmerk sollte auf eine aussagekräftige Differentialdiagnostik gelegt werden“, sagt Riehle. Dazu gehöre auch eine psychiatrisch-psychologische Inspektion. „Ich weiß, dass viele Betroffene nicht in die Ecke eines psychisch Kranken gestellt werden möchten und daher solche Untersuchungen ablehnen. Sie sind letztendlich aber wegweisend, wenn es darum geht, eine mögliche Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Es kommt auch auf die Mitwirkungsbereitschaft des Patienten an“, so Riehle abschließend.
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